Vermutete Benachteiligung wegen des Geschlechts bei höherem Vergleichsentgelt
Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer als das vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson ist, regelmäßig die widerlegbare Vermutung, dass eine Benachteiligung des Entgelts wegen des Geschlechts erfolgt ist (Az. 8 AZR 488/19).
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Im August 2018 erhielt sie von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG, aus der das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Das Vergleichsentgelt, bestehend aus Grundentgelt als auch Zulagen, lag bei der Klägerin niedriger als das von der Beklagten mitgeteilte Vergleichsentgelt bei männlichen Beschäftigten in gleicher Position. Daraufhin begehrte die Klägerin von der Beklagten Differenzvergütung zwischen ihrem Grundentgelt sowie ihrer Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt (ArbG Göttingen, Urt. v. 29.01.2019 – 1 Ca 194/18 Ö). Das Landesarbeitsgericht hingegen änderte das ArbG-Urteil auf die Berufung der Beklagten ab und wies die Klage im Übrigen ab, weil es annahm, dass schon keine ausreichenden Indizien i.S.v. § 22 AGG vorlägen, die die Annahme begründen, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe (LAG Niedersachsen, Urt. v. 01.08.2019 – 5 Sa 196/19).
Im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klägerin dann Erfolg. Laut BAG trage die LAG-Begründung die Klageabweisung nicht. Aus der Auskunft der Beklagten ergebe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liege in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch den Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, da entweder ein konkreter oder hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche oder gleichwertige Tätigkeit erhält. Das an die Klägerin gezahlte Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson angegebene, weshalb sie eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG erfahren hat. Entgegen der Annahme des LAG begründe diese Tatsache die Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung “wegen des Geschlechts” erfahren hat. Aufgrund der getroffenen Feststellungen vom LAG habe bislang noch nicht entschieden werden können, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe, die Vermutung den Vorgaben des § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich sei den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben – so das BAG.